Predigt zu Joh 6,30-35 von Henning Porrmann
Liebe Gemeinde, schon seit meiner Schulzeit prägten mich die Texte von Dorothee Sölle. Mein Relilehrer – Herr Bäuerle – brachte sie mit in den Unterricht und ließ uns teilhaben an ihrer Befreiungstheologie. Spirituell tief und sehr berührend. Ein Text handelt vom Tod am Brot allein.
Dorothee Sölle greift das Wort von Jesus auf, als er sich gegen die verführerische Macht der Versuchung wendet, alles verändern zu können: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ (vgl. Matthäus 4,4) sagt Jesus. Sie wendet dieses Wort auf die moderne Machbarkeits-Gesellschaft an. Dabei beschreibt sie eine Welt, in der Menschen zwar materiell versorgt sind, aber dennoch innerlich verhungern – an Sinn, Liebe, Gemeinschaft und Spiritualität.
Zentrale Gedanken sind:
- Kritik an Konsum und Materialismus: Sölle warnt vor einer Gesellschaft, die sich ausschließlich über Besitz, Leistung und Konsum definiert.
- Geistlicher Hunger: Sie spricht von einem „Tod“, der eintritt, wenn Menschen zwar körperlich, aber nicht seelisch oder geistlich genährt werden.
- Notwendigkeit von Sinn und Beziehung: Der Mensch braucht mehr als Nahrung – er braucht Hoffnung, Gerechtigkeit, Mitgefühl und eine Verbindung zu Gott und anderen Menschen.
- Politische Dimension: Sölle verbindet diese Gedanken mit einer Kritik an sozialer Ungleichheit und ruft zu einer solidarischen, gerechten Welt auf.
Der Text ist zugleich eine spirituelle Meditation und ein politisches Statement – typisch für Sölles Theologie der Befreiung, die Glaube und gesellschaftliches Engagement untrennbar miteinander verbindet.
Dieser Text findet sich im Buch „Die Hinreise“
„Brot für Herz und Seele“
Warum erzähle ich das? Weil ich dich heute fragen will, wie es dir geht und was dich wirklich satt macht. Wo du nach Nahrung für dein Leben, für deine Seele suchst und findest. Dazu noch eine kleine Geschichte, die ich bestimmt schon mal erzählt habe.
Ein alter Cherokee erzählt seinem Enkel:
„In mir tobt ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine ist böse: er steht für Zorn, Neid, Gier, Überheblichkeit, Lüge und Angst. Der andere ist gut: er steht für Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung, Gelassenheit, Güte und Vertrauen.“
Der Enkel fragt: „Und welcher der beiden Wölfe gewinnt?“
Der Großvater antwortet: „Der, den du fütterst.“
Diese Geschichte lädt dazu ein, dich zu fragen: Was nährt mich? Womit beschäftige ich mich im Innersten – Tag für Tag? Und was davon macht eigentlich wirklich satt?
Vor diesem Hintergrund lese ich jetzt den Predigttext vom ersten Ich bin Wort Jesu aus Johannes 6,30–35
Jesus hält diese Rede nachdem er 5000 und mehr Leuten gezeigt hatte, wie sie mit 5 Broten und 2 Fischen satt werden können. Sie wollten dennoch Beweise, wo Jesu Macht herkommt, ob er wirklich mit G+tt im Bunde ist. Und die Leute wollten mehr. Jesus hat in den Menschen die Sehnsucht geweckt, nach Nahrung, die nicht verdirbt – eine alle Zeiten überdauernde Sehnsucht nach körperlich handfester und nach geistlicher und geistiger Nahrung. Ich lese also Joh 6,30-35
Jesus ist das Brot des Lebens
Die Leute fragten weiter: »Was ist das denn für ein Zeichen, das du tust? Lass es uns sehen, dann glauben wir dir! Was bewirkst du denn schon?
Damals in der Wüste haben unsere Vorfahren Manna gegessen. In der Heiligen Schrift steht es doch: ›Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.‹« Darauf sagte Jesus zu den Leuten: »Amen, amen, das sage ich euch: Mose hat euch kein Brot vom Himmel gegeben. Vielmehr gibt euch mein Vater das wahre Brot vom Himmel.
Denn dieses Brot Gottes ist der, der vom Himmel herabkommt und dieser Welt das wahre Leben schenkt.« Da baten sie ihn: »Herr, gib uns immer von diesem Brot!« Jesus entgegnete: »Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“
Im Gespräch mit Jesus geht es um Zeichen. Die Menschen erinnern sich an das Manna in der Wüste, das Brot vom Himmel. Ein Wunder, das täglich geschah. Und Jesus sagt: Dieses Manna, Nahrung von Gott ist schon längst da: „Ich bin das Brot des Lebens.“, sagt Jesus, „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“
Liebe Hörende, eine steile Aussage ist das. Jesus beschreibt sich selbst als Nahrung. Nicht als Anbieter, sondern als Inhalt. Nicht als Lieferant, sondern als Brot. Nicht als Zukunft, sondern als Gegenwart. Ich bin das Brot des Lebens.
Was also macht satt – im eigentlichen Sinne?
Es gibt Zeiten, da reicht kein noch so gutes Essen, kein gelungenes Projekt, kein voller Terminkalender, kein Insta, TicToc oder Facebookstream mit hunderten von Likes. Die Leere bleibt. Das Herz sucht etwas anderes. Einen Sinn, eine Richtung, eine Hoffnung. Und manchmal merkt man: Der eigentliche Hunger ist ein seelischer, nach Zuversicht, nach Hoffnung, nach Verbundensein.
Ich denke da an einen Besuch, der mir sehr eindrücklich geblieben ist: ein älterer Mann, schwerkrank, dem Tod nah. Wir sprachen nicht viel. Aber dann sagte er ruhig und fast heiter:
„Ich hab‘ in meinem Leben nicht immer alles richtig gemacht. Aber ich hab’s gelebt. Und ich vertraue darauf, dass Gott es jetzt gut macht.“
In diesem Moment wurde etwas spürbar: eine Ruhe, ein Frieden, eine Kraft – als hätte er sich innerlich gestärkt mit etwas, das ihn über den Moment hinausträgt. Vielleicht war das dieses Brot des Lebens, von dem Jesus spricht.
Füttere den richtigen Wolf.
Kommen wir noch mal zurück zu mit den zwei Wölfen: Da steckt ein Prinzip drin, das sich auch im Glauben zeigt. Der erste Wolf, der gefüttert wird – mit Sorgen, Vergleichen, Selbstvorwürfen – wird dadurch stärker, dass du ihn mit solcher Nahrung fütterst. Aber der andere, der von Liebe, Glaube, Vertrauen lebt, wächst ebenso, wenn du dir solche Nahrung suchst.
Jesus nennt sich das Brot des Lebens – also das, was diese zweite Seite in uns nährt. Seine Worte, seine Nähe, seine Art, Menschen zu sehen: all das ist wie Nahrung für die Seele. In dem Sinne ist es wichtig und wohltuend sich immer wieder mit dieser seelischen Nahrungsquelle zu verbinden: Hier im Gottesdienst, aber auch in der Natur, beim Lesen in der Bibel oder anderen geistlichen Texten und im tiefen Austausch mit anderen Menschen.
Ganz einfaches Brot kann so ein Zeichen, eine Erinnerung werden: Brot ist völlig schlicht – und gerade deshalb so grundlegend. Es gehört zum Alltag, wird geteilt. Es stärkt und ist so viel mehr als nur satt werden. Brot sagt: Du sollst leben. Nicht überleben, nicht funktionieren – sondern leben.
Manche erleben das besonders eindrücklich im Abendmahl. Da wird das Brot des Lebens nicht erklärt, sondern geteilt. Ein Stück Brot in der Hand – klein vielleicht, aber getragen von einem großen Versprechen: Du bist gemeint. Du bist genährt. Du bist geliebt.
Wir haben ja letzte Woche Abendmahl gefeiert. Deshalb heute mal kein Abendmahl mit all der Liturgie. Trotzdem möchte ich heute mit euch Brot teilen und die Erinnerung an Jesus stärken. Ihr könnt das auch mit in den Alltag nehmen. Tischgebete sind ja bei den meisten außer Mode gekommen, aber wenn ihr euch immer wieder mit der Kraft Jesus, mit der Kraft des Lebens verbinden wollt, könnt ihr jedes Mal, wenn ihr in Zukunft Brot esst euch kurz daran erinnern, einfach im Stillen: Jesus ist da! Jesus ist das Brot des Lebens.
In diesem Sinne gehen jetzt zwei Körbchen mit Brot durch die Reihen. Gebt sie einander weiter mit den Worten: Jesus für dich! Und dann nimm dir ein Stück Brot, gib den Korb weiter und iss es ganz bewusst. Olli macht uns dazu ein bisschen „Tafel“ Musik.
Schlussgedanke:
Wer mit leerem Herzen kommt, kann satt werden. Nicht auf Knopfdruck, aber mit der Zeit. Nicht mit etwas, was du dir erarbeiten musst, nicht kompliziertes, sondern etwas einfaches, alltägliches. Vielleicht ist das gemeint, wenn Jesus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“
Der Wolf der Hoffnung, der Liebe, des Mutes – er braucht Nahrung. Da genügt ein kleines Stück Brot, um einen neuen Anfang zu spüren und diese Seite stark werden zu lassen.
Wenn Jesus sich also als das Brot des Lebens bezeichnet könnte man sagen: Er gibt keine spirituelle Diät, sondern echte Nahrung. Deshalb zum Schluss ein Blick in die geistliche Speisekammer: 5 Ernährungstipps für die Seele
- Täglich eine Portion Vertrauen: Nicht alles muss in meiner Hand liegen. Wer glaubt, nimmt sich selbst nicht so wichtig – und das ist oft sehr entlastend.
- Großzügig würzen mit Dankbarkeit: Wer sich daran erinnert, was schon gelungen ist oder wer ihn begleitet, hat es leichter, satt zu werden.
- Verzicht auf seelischen Fast Food: Zynismus, Dauerstress und Dauervergleich nützen niemandem. Lieber bewusst atmen und achtsam leben.
- Eine Prise Hoffnung – täglich frisch: Nicht von gestern. Nicht konserviert. Sondern neu entdeckt: im Wort, in der Begegnung, im Gebet.
- Regelmäßig Abendmahl nehmen – geistlich gesprochen: Brot essen und an Jesus denken. Sich nähren lassen. Nicht leisten, sondern empfangen. Und merken: Ich bin gemeint. Ich bin gehalten.
Das sind keine Regeln, eher Hinweise. Keine Pflicht, sondern Einladung. Schon ein einziger kleiner Schritt reicht – ein gutes Wort, ein Moment der Stille, ein Stück Brot, das geteilt wird – und es fängt an: das Leben satt.
Dabei begleitet uns der Friede Gottes, der alle Vernunft übersteigt. Diese Liebe, dieser Frieden, seine Kraft des Lebens in allem Leben bewahre unseren innersten Wesenskern, unsere Herzen und Sinne in der Gegenwart Gottes durch Christus Jesus. Amen.