Predigt zu Mk 4,35–41 (nachzulesen auf der Seite der deutschen Bibelgesellschaft)
Sturm und Stille
Liebe Gemeinde!
Für Jesus war‘s ein voller Tag.
Lauter Gleichnisse hat er erzählt.
Das Königreich der Himmel
ist wie ein Samenkorn,
ist wie ein Licht, auf einem Leuchter,
das allen leuchtet, die im Dunkel sind,
ist wie, wenn etwas von alleine wächst
oder wie wenn aus etwas super Kleinem
etwas riesig großes wird, ein ganzer Baum, zum Beispiel.
Hoffnung, Mut und Zuversicht,
das waren seine Themen,
an diesem langen Tag.
Die Menschen hörten zu, fragten nach,
spürten die Kraft, die von ihm ausging.
Und er erklärte, wiederholte, redete.
Fand immer andere Bilder für das Neue,
für das Himmelsreich,
für die Zeit, in der die Kraft des Lebens wirksam ist
und der Liebesraum Gottes alles umschließt.
Worte wie Samenkörner und Lichtfunken,
in hungrige, sehnsüchtige, erwartungsvolle, manchmal auch traurige, enttäuschte und erschreckte Seelen gestreut.
Seinen Freunden erklärt er alles ganz genau,
doch irgendwie können sie es wohl nicht glauben,
dass es schon da ist, das Reich der Hoffnung,
das Königreich Gottes
dass es mit jedem Wort, mit jedem Samenkorn, mit jedem Funken Leben
in dir beginnt und größer wird und wächst wie ein Baum.
Sie begreifen‘s einfach nicht,
setzen Verstand gegen diesen Raum der Liebe Gottes.
Oder ist es Dummheit, ein blinder Fleck auf der Seele?
So schreibt Markus immer wieder von den „dummen Jüngern“.
Nichts würden sie verstehen von diesem Jesus,
der gekommen ist, um das Reich der Himmel
in die Gegenwart zu bringen.
Immer wieder fragt er sie nach ihrem Glauben, dem Vertrauen. Warum habt ihr Angst? Warum vertraut ihr nicht? Warum seid ihr feige? Warum so furchtsam?
Der hat gut fragen, finde ich
als Mensch in einer Zeit
in der es gar nicht leicht ist,
zu vertrauen, dass morgen noch die Erde steht.
Im Frieden lebe ich, den mir Europa schenkte,
das lange Zeit ganz ohne Waffen miteinander Reden konnte.
Das war nicht immer so und ist schon längst nicht mehr.
Im Osten tobt ein Krieg.
Ich kann hier meine Meinung sagen,
ohne Angst dafür bestraft zu werden.
Und auch das war in diesem Land nicht immer so.
Noch geht das. Meinen Glauben darf ich offen leben.
Keine Religion darf hier in diesem Land zu einem Prüfstein werden!
Hast du die rechte Religion und Herkunft?
Dann darfst du hier sein!
Hast du das nicht, musst du raus und re-migrieren.
Das darf nach unsrem Grundgesetz nicht sein.
Auch das war mal anders und wird jetzt wieder diskutiert,
angeblich in der Mitte,
die doch immer mehr erblindet auf dem Rechten Auge.
Noch gibt es Frieden, doch er ist angezählt.
Und ja, die Welt in der ich lebe, macht mir auch oft Angst. Überall werden Nationalisten und me first Rufer gewählt
von Menschen die auch Angst haben und deren Angst geschürt wird:
„Sie haben uns sehr schlecht behandelt“, hört man,
„und jetzt kriegen sie die schlechte Behandlung auch zurück“.
Die nehmen uns alles weg.
Die Arbeitsplätze, die Behandlungsplätze,
die Spielplätze, die Wohnungen…
Warum werden denn nicht zuerst die eigenen Leute bedacht?
Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen,
ohne dass gleich jemand widerspricht.
Mir bleibt da oft mein: „Dir geht’s doch gut!“ im Halse stecken.
Es ist wie ein Strudel des Meckerns und Schimpfens,
es ist wie ein Kampf mit dem 3 Jährigen Kind am Süßigkeitenregal,
es ist zum Verzweifeln,
weil du dem 3 Jährigen nicht sagen kannst,
denk doch mal nach!
Ja, mein Glaube, dass Liebe und Frieden,
Gerechtigkeit und Mitgefühl,
Klimaschutz und Zukunftsdenken
überleben ist hart geprüft.
Da sitze ich mit den Freunden von Jesus in einem Boot. Buchstäblich.
Ein Sturm zieht auf und bringt in mir das Grübel- und Angstkarussell zum Kreisen. Wer kann es stoppen?
Auch andere Stürme bringen meinen Mut zum Wanken.
Werde ich das alles schaffen, ist eine Zweifelfrage, die mich oft begleitet. Und: Kann ich genügen?
Manchmal seh‘ ich nur die Fehler.
Und alles das, was nicht gelingt,
lässt die Wellen größer werden
auf dem See in mir,
den manche Seele nennen.
Ich bin verzagt, wenn solche Grübeleien in mir stürmen.
Und wenn ich andere Menschen leiden sehe und ihre Geschichten höre,
von Krankheit und Not,
von Schmerzen und von Schicksalsschlägen,
von unerfüllter Sehnsucht und Erwartung,
von Verletzungen und Lasten,
die keiner tragen kann:
Dann brodelt in mir Wut.
Warum, Gott, Jesus, gehts nicht allen Menschen gut?
Was soll das, diese Ungerechtigkeit?
Die Gleichnisse haben es schon gesagt:
Im Kleinen wächst das Große,
im Unansehnlichen die Liebe,
im Leben wächst das Himmelreich,
im Dunkel scheint ein Licht.
Davon also erzählte Jesus schon den ganzen Tag.
Und als die Sonne untergeht, am Abend
geht es los ans andere Ufer
zu neuen Menschen,
die sich auch nach Hoffnung, Mut und Liebe sehnen.
Er steigt ins Boot und viele Boote fahren mit.
Er legt sich hin, aufs Kissen, und schläft ein.
Voll Vertrauen und mit großer Ruhe.
Er verlässt sich ganz auf seine Leute,
die Fischer waren und noch sind.
Mit Booten und mit Wasser kannten die sich aus,
sind erfahren und mit allen Wassern gewaschen,
wie man so schön sagt.
Sie schippern los
und ohne jede Warnung kommt ein Sturm auf.
Und das war eigentlich erwartbar in der Nacht auf dem See. Große Unterschiede in der Tempratur
zwischen Wasser und Land,
lässt oft am See Genezareth das Wasser tanzen
mit teils heftigen wirbelnden Stürmen.
Da fragt man sich schon:
warum die Überfahrt in dieser Nacht noch?
Will Jesus was beweisen oder zeigen?
Nicht nur Geschichten erzählen,
sondern auch im echten Leben
seine Macht zum Ausdruck bringen?
Der Sturm kommt also auf
und schickt die Wellen bis ins Boot.
Und die Fischer fangen an zu zweifeln und zu zagen.
Werden wir das schaffen?
Können wir vertrau‘n
auf das, was wir gelernt?
Wird unsere Kunst auf See zu navigieren jetzt reichen?
Aber halt! Da ist ja Jesus hier im Boot, denken sie.
Der soll mitanpacken oder zumindest Händchen halten.
Oder was? Ein Seemann ist er ja nicht.
Er kennt sich eher aus mit Stürmen in der Seele.
Er findet Bilder und Geschichten,
die den Mut bestärken
und Liebe in den Menschen wecken.
Aber kann er das?
Das Boot durch rauhes Wasser führen?
Ach, schaden kanns ja nicht.
Wir wecken ihn, der scheinbar keine Angst hat
oder schlicht zu müde ist und jeden Sturm verschlafen würde.
Oder ist’s schlicht Gottvertrauen,
das uns jetzt einfach nix passiert?
Hey, Hey, Rabbi, Lehrer,
macht’s dir nichts aus, dass wir hier untergehn?
Keine Antwort, doch er steht auf,
bedroht ganz einfach Wind und Wellen
und spricht zum See. „Beruhige dich, sei still!“
Hat er das echt zum Sturm gesagt? Und zu den Wellen?
Oder meinte er uns und unsre Angst und Aufregung?
Wollte er uns nur beruhigen?
So denken die Jünger noch – vielleicht –
doch dann passiert es.
Es wird still,
wie er befohlen hat.
Und wie.
Eine Windstille setzt ein.
Jetzt schläft der Wind
und die Meeresstille ist genauso still
wie vorher der Sturm laut war.
Die Jünger stehen da und sind gespannt und warten.
So etwas haben sie noch nie erlebt. Es ist ein Wunder.
Und obwohl sie’s ahnen könnten,
dass Jesus sowas kann, sind sie erstaunt
und fürchten sich noch.
Und er stellt seine Frage: Warum habt ihr Angst? Warum vertraut ihr nicht? Warum seid ihr feige? Warum so furchtsam? Habt ihr denn keinen Glauben, kein Vertrauen?
Wie gesagt, diese Frage ärgert mich noch heute.
Wer würde nicht in Angst verfallen,
auf einem Schiff in einem Sturm?
Da ist nicht‘s was dich hält.
Nur warten, dass es bald vorüber geht.
So auch die Jünger.
Sie finden nicht zum Glauben,
sondern sind erstaunt und fürchten sich noch mehr. „Große Furcht“ steht da im Text und Fragen:
„Wer ist der Mann, der auch Wind und Wellen in die Stille bringt?“
Markus, der diese Geschichte erzählt,
macht das immer wieder,
dass die Jünger am Ende als die Dummen dastehen.
Keine Helden. Keine Profis im Vertrauen.
Angst und Furcht und Feigheit
und ein gar nicht großer Glaube.
Und doch: Sie sind von Jesus auserwählt.
Sie sind wie ich.
Mit Zweifel und mit kleinem Mut,
mit Angst und Klagen und mit Wut,
mit rationalem Denken,
das eine Lösung nur im Möglichen zu finden meint.
Größer als die Vernunft kann niemand denken.
Doch spüren, fühlen und erleben, am eignen Leib,
wie die Jünger da im Boot, das können wir.
Mitten im Sturm erfahren,
dass Stille mich verbindet
mit der Kraft des Lebens.
Mitten in der Wüste meiner Traurigkeit
die Quelle finden, die mich betankt mit neuem Lebensmut.
Mitten im Zweifel spüren,
dass es etwas gibt, das mich trägt und hält,
gegen allen Augenschein.
Das Samenkorn der Hoffnung wird ein Baum.
Wir kommen an, auch durch den Sturm.
Nicht jeder Weg geht über glatte See.
Zum Leben gehört das andre auch dazu.
Vielleicht wählt Jesus deshalb auch die Nacht und diesen Sturm,
um uns und seinen Jüngern zu erzählen:
Auch das ist Teil des Lebens wie es nun mal ist.
Ich bin nicht gekommen, eitel Sonnenschein zu bringen,
sondern Euch im Glauben mit dem echten Leben zu verbinden,
immer wieder neu, in allen Stürmen und trotz Wellen.
Das könnte Jesus damit sagen wollen.
Auch im Sturm seid ihr getragen.
Und: Dann könnt ihr Euren Zweifel überwinden und Eure Angst.
Dann könnt ihr losgehn und gestalten,
sogar eine Welt, die voller Sturm zu sein scheint.
Ja, denke ich: In dieser Stille sind wir verbunden
mit deiner Energie, Gott,
die uns den Mut gibt zu bestehen
und einzutreten für das Leben
und das Mitgefühl und die Gerechtigkeit
und diese Schöpfung.
Ja, wir werden deine Kraft empfangen,
die aus Samen Bäume macht
und auch Stürme stillen kann.
So wird aus Angst Vertrauen
und wir sind erfüllt
mit Hoffnung, Zuversicht und Liebe
für diese Welt und ihre Menschen.
Und wir müssen gar nicht immer wissen wie was geht und was als nächstes kommt und wie die Ruhe einkehrt.
Es wird passieren, so wie in der Geschichte
vom Sturm und den Wellen
und der großen Meeresstille.
Größer als alle Vernunft ist der Friede,
der unsere Herzen und Sinne bewahrt im tiefsten Innen,
und verbindet mit der Gegenwart
des Lebendigen, die in Jesus da ist.
Amen.