Predigt zu Röm 12,9-16
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Liebe Gemeinde!
Was muss ich tun, damit mein Leben gelingt? Welche Techniken muss ich anwenden, wenn ich mich verbessern will? Welche Ernährungs- und Fitnesstipps schaffen mir den optimalen Körper, welche Geistesübungen helfen mir besser zu schlafen oder geben wir mehr Ruhe?
Keine Ahnung, ob sie auch manchmal solche Fragen haben. Wenn man jedoch, Zeitschriften, Internetposts und Podcastthemen so anschaut, dann haben solche Fragen viele Menschen. Hat vielleicht mit der Zeit zu tun, vielleicht sind es aber auch einfach Menschheitsfragen, die immer schon gestellt wurden. Wie kriege ich ein gutes Leben?
Paulus hat diese Frage auch umgetrieben und er war als junger Mann davon überzeugt, dass man einfach bestimmte Regeln befolgen musste und dann bekam man das gute Leben. Er suchte seinen Weg in der Religion seines Landes und seiner Zeit, wurde ein eifriger Vertreter dieser Religion, die Regeln und Gesetze liebte. Mach das, tu dies, lass das und mach das auf keinen Fall. Das gab ihm Sicherheit. Da hatte man was, was man einfach nur befolgen konnte. Er wurde bekanntermaßen ein Pharisäer, also ein extra strenger Vertreter seiner Religion, immer auf der Suche nach einer Verbindung zu Gott, zu einem sinnvollen und guten Leben. Immer bestrebt alles richtig zu machen und alle Regeln zu befolgen.
Das gerade aufkeimende Christentum mit diesem Jesus, der schon in seinem Leben, die Menschen und die Verbindung zu und zwischen den Menschen mit der Liebe Gottes gleichgesetzt hat. Jesus, der Regeln immer nur dann einhielt, wenn Sie den Menschen und der Liebe dienten. Jesus, der sogar die scheinbar unbestreitbarste Regel des Lebens, - nämlich dass tot tot ist – auf den Kopf stellt, bzw. den Leuten immer wieder zeigen wollte: Ja tot sein gibt es, UND wieder lebendig werden auch. Schaut euch die Natur an, schaut euch Menschen an, die wieder ins Leben finden, schaut euch das Weizenkorn an, dass durch seine Hingabe in die Erde hundertfach Frucht bringt, schaut Euch an, wie Euer Körper neue Energie bekommt nach einem guten Schlaf. Neues Leben aus dem Tod, überall. Paulus war dieser Jesus, der Körper, Geist und Seele als Einheit sah, nie nur die Gedanken oder den Intellekt heilte, dieser Jesus war Paulus ein Dorn in seinem Konstrukt. Bis er irgendwann selber von Jesus, von dieser Lebenskraft aus dem Tod ergriffen, ja förmlich niedergeschmettert wurde. Dunkel, Blindheit, Todesangst, drei Tage und dann die Verwandlung zum Leben.
Er wird zum größten Verbreiter der Idee von Jesus, dass es nur zwei Dinge gibt: Liebe G+tt und liebe die Menschen – und das schließt dich selbst ausdrücklich mit ein. Und man kann das sogar in eine einzige Regel zusammenfassen: Liebe das Leben in allem! Oder nein, Regel ist hier vielleicht auch das falsche Wort: Es ist eine Haltung, die Haltung der Liebe.
Diese Haltung der Liebe setzt Paulus fortan gegen alle Gesetzlichkeit und Regeln, sowohl im Judentum, als auch in seiner römisch-hellenistischen Umfeld. Paulus schafft in seinen Texten und hier besonders für die römische Gemeinde einen großen geistigen Hoffnungsraum für die Zukunft, ohne Regeln und Gesetze. Besonders heute im Predigttext, geht es um Haltungen, die diesem Raum einen Halt geben. Es gibt keine Klassen und keine Hierarchien, nur Verbundenheit untereinander. Es gibt keine einzelnen Regeln. Paulus setzt auf die Freiheit des Einzelnen und auf die Fantasie der Liebe, die jede und jeder entwickeln kann und muss. Immer das tun, was der Liebe und dem Leben dient. Was das jeweils konkret ist, muss jeder Mensch für sich entscheiden, immer wieder neu.
Diese Haltung der Verbundenheit mit dem Leben, die Jesus Liebe nennt, bekommt bei Paulus immer wieder eine wichtige Stelle in seinem Denken und seiner Spiritualität, die er in so vielen Briefen zum Ausdruck gebracht hat. Hier, im Brief an die Gemeinde in Rom, die er bis dahin noch nicht einmal besucht hatte, exponiert er diese Haltung der Liebe, lustiger Weise, scheinbar wieder in sehr klaren Imperativen, Anweisungen und Befehlen. Allerdings sind diese Befehle wohl eher als Anregungen zu verstehen. Wie und wo wird Liebe konkret in der Gemeinde, in der Verbundenheit, im Miteinander? Welche weiteren Haltungen gehen damit einher? Es sind eher durchdachte und durchfühlte Möglichkeiten, der Liebe Raum zu geben, Verbundenheit zu leben, Konsequenzen der Liebe. Und so verstehe ich seine Befehle auch als Auswirkungen der Liebe: Wenn du die Haltung der Liebe einnimmst – Deine Entscheidung! – folgt daraus möglicherweise Dieses und Jenes. Her mit dem schönen Leben? Dann nimm die Haltung der Liebe ein, sagt die Bibel.
So verstanden noch einmal Paulus vermischt mit meinen eignen Worten:
Ihr wollt das schöne Leben?
Für euch und auch für andere?
Dann müsst ihr wissen:
Die Liebe ist das Größte,
sie sei ohne Falsch und Heuchelei.
Von dem Bösen seid ihr frei
in eurem Denken, verbunden mit dem Guten,
daran hängt das Leben und das Heil.
Von Herzen kommt dann Eure Liebe,
die euch geschwisterlich verbindet mit Wertschätzung,
die allem anderen zuvor kommt.
Ich nehme die Haltung der Liebe ein,
Ich schätze Deinen Wert,
ich schätze dich und achte dich,
denn in dir ist das Leben
genauso wie in mir.
In deinen Augen sehe ich die Augen Gottes.
Das treibt mich und Euch zu einem Leben,
in Verbundenheit und Liebe,
das lässt uns aufstehen
vom Sofa der Bequemlichkeit,
das befeuert und erwärmt den Geist,
der uns und Euch dahin bewegt,
wo Leben ist und Liebe.
Und dann seid ihr ganz einfach
Komplizen dieses Lebens und der Liebe,
dann seid ihr Mitverschwörer*innen einer Kraft,
die Liebe in die Wunden dieser Welt streut.
Dann dient ihr dem Leben, das weitergeht
und einer Hoffnung, die euch und dieses Leben trägt.
Dann seid ihr fröhlich und erfüllt
in aller Hoffnung, und auch immer dann
wenn ihr spürt, dass ihr verbunden seid
mit Lebenslust und Energie.
Und wenn das Leben traurig ist und voller Schwere,
dann denkt an diese Hoffnung,
die euch das Dunkel mit Geduld ertragen lässt.
So ist das Leben auch.
Ihr werdet andre finden, die mit euch durch dieses Dunkel gehn.
Ihr werdet andere begleiten durch die Nacht der Seele im Gebet, das euch beharrlich mit dem Schöpfer selbst verbindet. Ihr bleibt verbunden auch im Dunkel mit dem Licht und mit der Quelle Eurer Hoffnung.
Den Menschen helfen, die in Not sind? Keine Frage, schon indem ihr da seid und sie im Gebet dem Raum der Liebe anvertraut habt ihr das getan. Ihr öffnet Euch und Eure Herzenshäuser, seid gastfreundlich und lasst die anderen ein.
Und segnen werdet ihr die Menschen, ALLE, auch die Feinde
mit der Kraft des Höchsten,
mit der Liebe und der Hoffnung
werdet ihr sie segnen, auch und gerade dann,
wenn sie euch verfolgen, eure Haltungen nicht teilen.
Verbunden mit der Liebe
segnet ihr und schickt sie nicht zum Donnerdrummel,
sondern bringt sie innerlich mit rein,
in den Raum der Liebe Gottes.
Freut euch mit den Fröhlichen,
weint mit den Weinenden.
Steckt euch gegenseitig an,
Seid eines Sinnes miteinander.
Trachtet nicht nach hohen Dingen,
sondern haltet euch an niedriges,
schließt alles ein.
Tut was ihr könnt. Bleibt bescheiden aber habt euch lieb,
auch wenn vieles euch NOCH nicht gelingt.
Und seid nicht überheblich, arrogant und besserwisserisch. Haltet euch nicht selbst für klug.
Bleibt auf dem Weg, auch wenn ihr vieles schon erreicht habt.
Es reicht, wenn ihr die Haltung übt, die Liebe euch gezeigt.
Und lasst vom Bösen ab. Trennt Euch von den Gedanken, die nur vergiften und den Hass vergrößern.
Vergeltet niemandem das Böse mit dem Bösem.
Und seid auf Gutes aus,
gegenüber jedermann und jederfrau.
Und, wenn’s möglich ist, und ihr das könnt,
habt mit allen Menschen Frieden.
Apropos Frieden
Der Frieden Gottes, der höher ist als die Vernunft,
bewahre Euren Wesenskern, der ganz tief drinnen ist,
im Herzen und in eurer Seele und verbinde Euch
mit Jesus, der die Kraft der Liebe ist.
Amen.